Phono-Vorverstärker 2022 mit Breitband-Pentoden



Über Entwurf und Aufbau eines symmetrischen Phono-Vorverstärkers mit Ein- und Ausgangsübertragern

Die hier beschriebene Schaltung arbeitet mit Hochspannung und ist somit potentiell lebensgefährlich. Für gesundheitliche, technische oder ideelle Schäden die aus dem Nachbau entstehen lehne ich jede Haftung ab, jeder Nachbau geschieht auf eigene Verantwortung. Ebenfalls übernehme ich keine Gewährleistung für die ordnungsgemäße Funktion der Schaltung. Diese Seite richtet sich an Audioamateure, den kommerziellen Nachbau dieser Schaltung (oder Teile daraus) gestatte ich nicht.

Dierser Vorverstärker arbeitet mit steilen Breitband Pentoden. Universell einsetzbar sind E180F, 186F, E280F, 282F, E810F und D3a. Er besteht lediglich aus zwei Differenzverstärkern pro Kanal und kann durch seine niederohrigen Ausgänge mittels Ausgangsübertrager direkt Endstufen ansteuern. Intention war etwas "Besonderes" aus den steilen Pentoden zu bauen und sie nicht einfach nur in bekannte Grundschaltungen einzusetzen. Durch den lediglich zweistufigen Aufbau ist im Vergleich zu anderen Konzepten eine ganze Verstärkerstufe gespaart. Daher verfügt er nicht über Hochpegelanschlüsse für externe Geräte. Der Phono-MC Eingang ist mit Übertragern bestückt.

Pre22Overview
Das Innenleben von oben in der Testphase. Ganz hinten Eingangsübertrager, davor die Eingangsverstärkerstufe, Koppelkondensatoren und vorne hinter einer Acrylscheibe die Ausgangsstufe.



Diesesmal habe ich fast alle Trafos bei Lundahl gekauft. Wenn schon denn schon sind die Drosseln im "Common mode" beschaltet, liegen also mit je einer Wicklung in Hin- und Rückleiter des Netzteils. Mangels Verfügbarkeit hochkapazitiver MKP-Kondensatoren für das Netzteil habe ich gleich auch die vierpoligen von Clarity Cap gekauft. der Strom läuft hier jeweils über die Folien des Kondensators. Somit sieht das Netzteil im Endeffekt aus wie von einem anderen Planeten: Drosseln und Kondensatoren mit jeweils vier Anschlüssen:

Pre22Netzteil2
Das Netzteil mit 4-poligen MKP-Kondensatoren. Der Ringkerntrafo ist für die Heizspannung, sie wird mit einer Lundahl Hochstrom Drossel gesiebt so das anschl. 1000 Mikrofarad und ein LT1083 reichen.

Pre22Netzteil1
Ausgelagertes Röhrennetzteil mit einer EZ81 bestückt

Im Netzteil können zwei EZ81 Gleichrichter eingesetzt werden. Da die Spannung des Netztrafos hoch ("höher als erwartet") ist habe ich es bei einer EZ81 belassen, sie kann genug Strom für den Verstärker liefern. Der Gleichrichterröhre folgt ein Drosseleingang statt des üblichen Kondensators. Somit ist die Stromentnahme des Netzteils aus dem Netz gleichmäßiger und somit störungsärmer.

Die letzten Siebstufen des Netzteils habe ich in den eigentlichen Vorverstärker verlagert. Mit den großen Drosseln und Kondensatoren bekommt dieser mehr Gewicht auf die Waage. Die eigentliche Schaltung ist frei auf einer Pertinaxplatte aufgebaut und liegt komplett auf vier Silkondämpfern zur Schwingungsdämpfung. Es sind also nicht die einzelnen Röhren schwingungsgedämpft gelagert, sondern der komplette Schaltungsaufbau auf einer Pertinaxplatte.

Das Gerät habe ich in den gleichen Gehäusetyp hineingebaut wie den 2013er Vorverstärker auch. Weil das Auge bekanntlich mithört haben der Verstärker und auch das Netzteil Acrylscheiben mit Blick auf die Röhren freigeben.

Aufgrund der verwendeten Röhren ist die gesammte Schaltung so niederohmig, das nach dem RIAA-Filter noch der Lautstärkeregler angetrieben werden kann. Daher sind die RIAA-Kondensatoren auch von der Bauform recht groß. Myflex war der einzige für mich verfügbare Hersteller welcher praktisch (also lieferbar in kleinen Mengen) 2% Typen dieser Werte anbot. Daher fiel die Wahl nicht schwer.

Pre22RIAA

Pre22Seitenteil
Hier sind die beiden Seitenteile des Verstärkers zu sehen, welche die Ausgangsübertrager und Netzteilkomponenten tragen. Pertinax ist aufgrund seiner guten Bearbeitbarkeit und guten Eigenschaften bzgl. Mikrophonie mein bevorzugtes Material.

Pre22Aue
Einer der Ausgangsübertrager mit seinen Abschlusswiderständen

Phonostufen mit der Röhre D3a sind bereits seit längerem Thema in einschlägigen Foren. Röhren aus dieser Familie wurden ursprünglich von der Post als Weitverkehrsröhren für Telekommunikation verwendet. Sie haben besondere Eigenschaften (hohe Steilheit u.s.w.), was sie nicht automatisch zu besseren Röhren in der Anwendung als Audioröhre macht. Rauscharm bzgl. HF und NF sind z.B. verschiedene Dinge, ebenso möchte ich in meinem Phonoverstärker mikrophoniearme Röhren stecken haben.

Für mich ist dieser Vorverstärker in mehrfacher Hinsicht ein Experiment. MC-Tonabnehmer klingen am Übertrager anders als mit aktiver Verstärkung, wie bei meinem anderen Vorverstärker. Ich schreibe bewusst anders und nicht besser/schlechter. Die Kombination MC-Übertrager mit nur zwei Verstärkerstufen bot sich als besonders minimalistische Lösung an. Mit gängigen Audioröhren wäre dieses zweistufige Konzept nicht möglich gewesen. Die von mir gerne benutzten EF806 verstärken zwar genug, sind aber so hochohmig das sie keinen Lautstärkeregler geschweige denn den Ausgang eines Vorverstärkers antreiben können. Die gängigen Doppeltrioden sind zwar etwas niederohmiger, verstärken dann aber auch weniger - es wären dann immer drei Verstärkerstufen notwendig.

Bevor ich acht Stück E280F in den Verstärker gesteckt habe sind ein paar E186F wieder herausgeflogen, sie rauschten stark und waren stark mikrophonisch. Die E280F habe ich beim Probelauf der Schaltung zusammengepaart. Da sie laut Datenblatt 10000 Stunden laufen sollen habe ich hoffentlich lange Ruhe bevor ich mich damit wieder beschäftigen muß. Daher wird hier hoffentlich auch nicht zeitnah ein Erfahrungsbericht zu den verschiedenen verwendbaren Röhrentypen erscheinen.

Da alle einsetzbaren sockelkompatiblen Pentoden einen vergleichbaren Innenwiderstand haben, welcher die Arbeitsweise eines RIAA Filters wenig beeinflusst, ist es möglich diese verschiedenen Typen ohne Änderung in die Schaltung einzusetzen. Bei einer Triode würde der Innenwiderstand der Röhre die Filtereigenschaften bestimmen, da der übliche Innenwiderstand kleiner ist als der Anodenwiderstand und sich z.B. durch Alterung ändert. Das macht besondere Maßnahmen in der Schaltung erforderlich um die Schwankungen zwischen den Röhren zu kompensieren. Bei Pentoden dominiert der Anodenwiderstand um Faktor 10, d.h. die Röhre selbst hat mit dem Filter sehr wenig zu tun. Da die genannten Röhren alle um 100kOhm liegen gibt es in der Computersimulation eine maximale Abweichung von 0,5dB zwischen D3a und E180F auch nur bezüglich des untersten Frequenzbereiches. Nachgemessen hat ein befreundeter Ingenieur mit 5 verschiedenen Röhren einen Versuchsaufbau, die Abweichungen lagen bei 0,3dB. Damit kann ich gut leben.

Pre22Eingang
Work in Progress: Ausgangsstufe, Kathodenwiderstände (braun) und Gridstopper (blau)

Mein Dank gilt allen mit denen ich das Projekt im Vorfeld diskutiert habe!
Dipl. Ing. J. Heinrich für die Messung des Versuchsaufbaus


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